4. Flaschenpost von Merlin aus Korea
4. Flaschenpost aus Korea – mit Waschmaschine, Klimaanlage & Aufzug
Golden scheinet uns die Sonn zur Freude, lockend schallt der Amselruf vom Hain.
Jauchzt die Fiedel, sing ein Liedel, lass die Sorgen all zu Haus:
Denn wir wandern, denn wir wandern, denn wir wandern in die Welt hinaus.
Hallo liebe Daheimgebliebene! Mai 2012
Viele herzliche Grüße aus Südkorea sendet Euch/ Ihnen Merlin
Es gibt wieder neue Erlebnisse aus Korea zu berichten – viel Spaß beim Lesen!
• Meine vierte Gastfamilie
Das Austauschjahr neigt sich langsam dem Ende entgegen und so bin ich nun in meine letzte
Gastfamilie gewechselt. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen.
Mein Gastbruder ist 18 Jahre alt und in die letzte Klasse in der High School in der Nähe meiner alten
Schule in Busan-Centum. Meine Gastschwester konnte ich leider nicht treffen. Sie ist zurzeit bei
einem Austausch in Amerika. Sie wird dort bleiben und Medizin studieren. Mein Gastvater ist
Englisch-Lehrer an der Schule seines Sohnes. Er war für anderthalb Jahre in Deutschland und hat in
Bielefeld Informatik studiert. Meine Gastmutter leitet einen Kindergarten hier in Busan-Sajik.
Die Wohnung, in der ich jetzt wohne, ist eine Eigentumswohnung im 15. Stock in einem der besten
Appartementhochhäuser in Busan. Wie ich herausfand ist es hier in Korea so üblich, dass man sich
die Wohnungen nicht mietet, sondern kauft. Circa 80 Prozent der Wohnungen in Korea sind
Eigentumswohnungen.
Der Schulweg hat sich durch meinen Umzug in die neue Gastfamilie erheblich verkürzt. Ich brauche
jetzt nur noch knapp 15 Minuten zur Schule. Das Schöne ist: Ich habe nun jeden Morgen einen
interessanten Wanderweg durch eine Marktgasse und durch einen kleinen Park mit vielen
Kirschbäumen, die herrlich blühen.
• Baseball in Busan
Direkt vor meiner Haustür ist ein großes Baseballstadion. Ich kann also aus dem 15. Stock in das
Stadion hineinschauen und synchron das laufende Spiel auf dem Fernseher verfolgen. Die
Beifallsbekundungen der Zuschauer sind denen beim Fußball ähnlich!
Um das Stadion herum und weitergehend bis hoch in die Berge gibt es viele Fahrradwege. Es ist
wirklich schön, an einem Frühlingstag mit einem Fahrrad durch Busan zu fahren – trotz der vielen
Autos. So kann man viele Sachen sehen und bewegt sich auch noch schnell fort. Die Fahrräder kann
man hier problemlos ausleihen.
• Wahlkampf in Korea:
Der Wahlkampf in Korea ist noch ein richtiger Kampf! Hier werden nicht nur Plakate aufgehängt und
gelächelt. Hier werden richtige Wagen und große Bühnen aufgebaut, auf denen die Kandidaten für
die jeweiligen Ämter und Parteien ihre Programme und Pläne lautstark vorstellen. Politiker in Korea
zu werden ist gar nicht so einfach. Man muss hier viele Prüfungen ablegen und ein hervorragendes
Zeugnis vorlegen. Erst dann wird man überhaupt als Politiker „zugelassen“ und darf einer Partei
vorstehen oder eventuell selbst eine gründen.
• Ostern
Ostern wird in Korea nicht gefeiert, da es ja bekanntlich ein christlicher Feiertag ist. Da hier der
buddhistische Glauben im Vorrang steht schauten meine Gasteltern nicht schlecht, als ich am
Ostersonntag den Tisch mit Osterhasen und Ostereiern dekorierte. Da erinnerte sich mein Gastvater
plötzlich, dass dieser Tag doch Ostern ist und in Deutschland gefeiert wird. An diesem Nachmittag
begaben wir uns auf einen herrlichen Spaziergang an den Strand und erlebten einen wunderschönen
Sonnenuntergang. Dabei gab es ein schönes typisch koreanisches Abendessen mit Kimtschi, Bulgogi
und vielen weiteren Spezialitäten. Das Essen mit Stäbchen ist jetzt für mich völlig normal.
• Koreaner können spontan sein - sehr spontan!
Die Chemielehrerin meiner Schule hat an einem Tag spontan entschieden, den Austauschschüler aus
den USA und mich mit zu einer kleinen Wissenschafts-Show in den Kindergarten meiner Gastmutter
mitzunehmen. (Es war schon ganz witzig wie die kleinen koreanischen Kinder uns ob unserer
Körpergröße anstarrten.) Im Kindergarten war es sehr lustig. Am Eingang wurde man mit dem
deutschen Wort „Kindergarten“ begrüßt (Viel schöner als „Kita“). Der Kindergarten an sich war sehr
auf alt gestylt, aber trotzdem modern. Die Kinder haben sehr viel Platz zum Spielen und viele
Spielsachen. An diesem Tag gab es für die Kleinen eine Science-Show von der Chemielehrerin. Die
3 – 6-jährigen schauten ganz begeistert und erstaunt auf die Experimente, die die Lehrerin vorführte.
Eine weitere recht spontane Begegnung hatte ich, als meine Councellerin mich früh um 5 Uhr anrief
und entschied, um 10.00 Uhr auf einen 4-tägigen Trip über ein verlängertes Wochenende zu fahren.
Wir wollten nach Andong fahren - ein traditionelles koreanisches Dorf. Nicht das ich etwas gegen
Spontaneität hätte - trotzdem gut geplant kann das richtig viel Spaß machen. Das mit dem Planen
geht hier dann aber leider meist nach hinten los. Ich war pünktlich an der vereinbarten
Bushaltestelle. Die Reisegruppe entschied aber höchst spontan, den Bus zur selben Zeit am anderen
Ende des Stadtviertels abfahren zu lassen. Daran wäre auch immer noch nichts Schlimmes, nur
wurde ich dann komisch angeschaut, da ich ja viel zu spät am neuen Treffpunkt war. Anstatt also um
10 Uhr abzufahren fuhren wir um 11.30 Uhr ab - allerdings nicht wegen mir, sondern weil spontan
entschieden wurde, noch einen anderen Club mitzunehmen und statt der U-Bahn und einem
Linienbus doch besser einen Reisebus zu nutzen. Ich glaube kaum, dass es in Deutschland möglich ist,
einen Reisebus innerhalb von 1 Stunde ohne Voranmeldung zu mieten.
Etwas spontan verlief auch der Umzug in meiner neue Gastfamilie. Ich wurde mit dem Auto zur
nächsten Familie gebracht. Ich hatte gerade mein Zimmer, die Schränke etc. eingeräumt und da
bekam ich einen Anruf von der Councellerin, in eine andere Adresse umzuziehen – also alles wieder
einpacken, mit zwei große Koffern in die U-Bahn und ab zur nächsten Gastfamilie. Dort packte ich gar
nicht erst aus und erhielt auch prompt die Anweisung, weiterzuziehen! Auch die dritte Gastfamilie
musste getauscht werden – ich landete dann am Abend wieder bei meiner Gastmutter, die sich riesig
freute, mich wieder zu haben. Allerdings ging der Umzug dann am nächsten Morgen weiter – bei
dieser Gastfamilie konnte ich dann bleiben! Sie sind auch sehr, sehr nett!
• Neues von den Reparaturdiensten
Da es ja in Korea immer mal wieder was zu reparieren gibt, habe ich mir ein kleines Schraubenzieher-Set
zugelegt und immer dabei. Man kann ja nie wissen, wozu man es mal brauchen kann. Als ich
letztens mit dem Aufzug stecken geblieben bin, hat es sich dann wieder bewährt! Da mich im Aufzug
trotz penetrantem Drücken des Hilfeknopfes - der am Elsterschlossgymnasium ja nur all zu gerne
gedrückt wird - niemand so richtig beachten wollte, versuchte ich, mich halt selber aus dem Aufzug
zu befreien. Um in koreanischen Aufzügen mitfahren zu können und die Stockwerke auszuwählen,
muss man sich manchmal mit der „Check in-Karte“ des Hauses anmelden. Aus dem Sensor für die
Karte im Aufzug kam leichter Rauch heraus. Da war wohl eine Sicherung durchgebrannt und diese hat
damit auch den ganzen Fahrstuhl lahm gelegt. Also zog ich den Sensor aus der Wand und zog die
Kabel vom Sensor ab und überbrückte sie mit dem Schraubenzieher - und siehe da der Aufzug fuhr
zum Ziel in den 15. Stock! Mittlerweile ist der Aufzug repariert!
Da meine Gastfamilie erst seit einem Jahr in der Wohnung wohnt, hatten wir anstatt einer
Klimaanlage bisher nur ein Loch in der Wand. Da es in diesem Jahr aber sehr heiß wurde, mussten wir
die Klima-Anlage einbauen. Ich ahnte Schlimmes - und es trat fast ein. Die Handwerker brachten die
Klimaanlage in mein Zimmer und fingen an zu werkeln. Als sie dann aber anfingen, wild mit dem
Schweißbrenner rumzufuchteln, verlor ich die Geduld. Ich nahm das Werkzeug selbst in die Hand und
schraubte die Klimaanlage dann allein zusammen und an die Wand und nahm sie in Betrieb. Die
Handwerker bastelten in der Zeit im Nachbarraum.
In unserem Bad war vorige Woche der Wasserhahn verklemmt. Man konnte ihn nur noch ganz
schwer bedienen. Aber, anstatt das meine Gasteltern mich fragen, wandten sie sich genau an
dieselben Handwerker, die auch fast mein Zimmer abgefackelt hatten... Die sagten nur: Muss
ausgetauscht werden! Da hab ich die Handwerker dazu gebracht, mir ihr Werkzeug mal für
5 Minuten zu leihen und mir zuzuschauen. Ich holte die Mischbatterie aus der Wand - beseitigte den
Kalk und baute sie wieder ein. Das Problem war gelöst - Die Handwerker allerdings sahen nicht so
glücklich aus…. Wahrscheinlich weil sie nichts verkauft hatten und es zu schnell ging!
Ihren Kollegen hatte ich bei meiner vorhergehenden Gastmutter ja auch das Verkaufen einer neuen
Waschmaschine vermasselt. Die alte Waschmaschine war noch zu reparieren!
• Trommelkurs
Drei Monate lang hatten wir Austauschschüler Unterricht in einem Trommelkurs bekommen. Wir
trafen uns zwei Mal pro Woche, um die koreanischen Trommeln richtig spielen zu lernen.
Das koreanische Trommeln heißt „Salmunori“ – Spiel der vier Dinge. Die vier Instrumente
symbolisieren die vier Wetterelemente Blitz, Wind, Regen und Wolken. Der Liedführer hat eine
Kwaenggwari (Blitz) - einen kleinen Gong mit ca. 15 cm Durchmesser und einem hellen Ton. Der Jing
ist ein tiefer Gong (Wind). Changgu – diese Sanduhrtrommel habe ich gespielt (Regen). Der Buk – die
große Fasstrommel (Wolken) gibt einen tiefen Ton. Man sitzt beim Spielen auf der Erde. Unser
Auftritt vor dem Rotaryclub erfolgte dann in traditioneller koreanischer Kleidung – wir erhielten viel
Beifall!
Bald geht es wieder nach Hause!
Es grüßt ganz herzlich aus Südkorea
Euer Merlin