Grüße aus Südkorea von Merlin
Flaschenpost aus Korea – Prosit Neujahr!
Auf Du junger Wandersmann, jetzo kommt die Zeit heran, die Wanderzeit, die gibt uns Freud.Woll`n uns auf die Fahrt begeben, das ist unser schönstes Leben,große Wasser, Berg und Tal anzuschauen überall.
(Flaschenpost, 2. Teil;
für Teil 1 siehe Anhang unten)
Hallo liebe Daheimgebliebene!
Herzliche Neujahrsgrüße aus Busan in Südkorea sendet Euch/ Ihnen Merlin!
Heute ist mein 18. Geburtstag! Ich bin aber erst im Juli 2011 16 Jahre geworden!!!!
Zum Jahresbeginn wird in Korea Jeder ein Jahr älter und man kommt mit 1 Jahr auf die Welt!
Daher kann ich jetzt die Fahrschule machen, Alkohol trinken, in Nachtclubs gehen – das ziemt sich aber nicht für Austauschschüler!!! So schnell wird man volljährig!
(Der richtige Geburtstag wird in Korea aber am korrekten Datum gefeiert.)
Hier nun einige Stippvisiten in das Alltagsleben in Südkorea!
• U-Bahnfahren in Busan:
Das U-Bahn-System ist vor allem für Nicht-Koreaner zu bevorzugen - aus dem ganz einfachem Grunde: Die Namen der Stationen sind auch auf Englisch zu lesen!
Die U-Bahn in Busan hat nur 3 Hauptlinien, die sehr systematisch und flächendeckend über die Stadt verteilt sind. So kann man eigentlich in relativ kurzer Zeit zu den wichtigsten Plätzen in Busan kommen!
Das U-Bahnsystem wurde von Koreanern geplant - aber gebaut wurde es von Franzosen - auch die Züge wurden aus Frankreich geliefert!!! Der Zug stoppt bei der Station immer genau an derselben Stelle (5-10 cm Unterschiede) - das ist extrem genau und ist offensichtlich nur mit einem deutschen Steuersystem möglich :) (Siemens) Die U-Bahn hat Servomotoren und ist dadurch extrem leise. Das ist aber manchmal nicht gerade gut - manche Leute verschlafen einfach ihre Station, weil es so schön still ist! Auf den Stationen wird manchmal der Radetzky-Marsch gespielt – lustig!
• Busfahren in Busan
Das Bussystem ist sehr, sehr speziell! Es gibt ungefähr 200 Buslinien in Busan! Ein heilloses Chaos denkt man - aber wenn man sich in seinem Umfeld eingelebt hat, kann man statt der U-Bahn auch einfach mal den Bus nehmen. Eine Busfahrt - egal wie lange sie dauert - kostet umgerechnet ungefähr 1 Euro - echt geschenkt, wenn man bedenkt, dass man damit von der östlichen zu westlichen Grenze von Busan kommen kann (ungefähr 2 Stunden Fahrtdauer!!)
• Presse und Werbung:
Zeitungen sieht man in Deutschland häufiger! In der U-Bahn sieht man vereinzelt noch Leute sitzen, die Zeitung lesen, aber nur sehr selten! Klatschpresse wie wir die „Bild“ oder ähnliches haben sieht
man hier gar nicht. Hier wird wirklich nur Wichtiges in die Zeitung geschrieben. Viele Leute
bevorzugen aber die handlichere Version der Zeitung auf den Mobiltelefonen.
Auch Werbung in den Briefkästen kann man nicht sehr häufig finden. Es wird z.B. in den Aufzügen Werbung aufgehangen, aber nicht im großen Stil. Zum Teil wird auch noch auf den Straßen geworben - d.h. man bekommt einen Zettel in die Hand gedrückt. Außerdem sieht man manchmal riesige Tafeln in der Stadt verteilt, auf denen für bestimme Dinge geworben wird. Wohnen und Hausmeisterdienste Koreanische Wohnungen können sehr, sehr klein sein! Viele Wohnungen sehen ziemlich gleich aus. Was aber nie fehlt - der 30 Zoll Flachbildschirm - der auch die ganze Zeit an ist... Ein bisschen wie Radio. Die Wohnungen sind meistens ziemlich europäisch eingerichtet.
Warum Koreaner keine Glühbirnen wechseln können:
Zuerst könnte man anhand der Überschrift denken, dass die Koreaner einfach zu klein sind um Glühbirnen zu wechseln... Das ist im ersten Moment auch richtig, ließe sich aber mit einer Leiter lösen. Das größere Problem - Koreaner trauen sich einfach nicht an die Elektrik heran, weil es ihnen niemand zuvor gezeigt hat.
Meine Gastfamilie hielt mich schreiend davon ab eine kaputte Glühbirne auszuschrauben, weil dies doch viel zu gefährlich sei! Erst als ich die Sicherung rausnahm, ließen sie mich endlich an die Lampe ran. Meine Gastmutter hatte in der Zeit einen Hausmeister angerufen, um die Lampe zu wechseln.
Als ich ihr die Glühbirne sauber und ordentlich ausgebaut vor die Nase hielt schaut sie mich ganz entgeistert an! :)
Solches und ähnliches erlebe ich den ganzen Tag. Wenn man näher darüber nachdenkt, ist es echt erschreckend, dass diese Leute so abhängig von anderen sind. Wenn man weiterdenkt, kommt man sehr bald drauf woran es liegt: Die meisten Koreaner haben als Kinder in der Schule nur trockene Theorie gehabt, diese nie wirklich in der Realität ausprobiert und das ist einfach schade!
Neulich war an unserem Kühlschrank ein Scharnier kaputtgegangen. Weil ich das Werkzeug brauchte (das man standardmäßig natürlich NICHT und zwar wirklich GARNICHT zu Hause hat) ließ ich meine Mutter den Hausmeisterdienst rufen. Er war erstaunlicherweise bereits nach 5 Minuten da. Als er nach 30 Minuten aufgeben wollte, fragte ich ihn ob ich es nicht mal probieren sollte. Das Problem war daraufhin innerhalb von 40 Sekunden erledigt... Naja Praxis ist nicht gerade des Koreaners Stärke - dafür können sie sehr gut auswendig lernen - aber wozu braucht man theoretisches Wissen, wenn man es nicht in der Praxis anwenden kann?!
• Einkaufen in Korea:
Meine Gastmutter geht fast alle 2 Tage einkaufen. An jeder Straßenecke findet man mindestens einen „Tante Emma-Laden“. Die meisten heißen „Lotte Store“. Fragt mich bitte nicht, warum „Lotte“ ??? :) In der ganzen Stadt sind tausende solcher kleinen Märkte verteilt. Sie verkaufen nur das wichtigste - weil es eben nur kleine Läden sind. Meistens bezahlt man mit einer Bankkarte. Es gibt große Märkte wie „E-Mart“ oder „Home-Plus“ und es gibt auch eine große Version des „Lotte Store“ - dieser heißt aber „Lotte Departmentstore“.
Das koreanische Geld ist sowas von unpraktisch... Es gibt nur 1000, 2000, 5000, 10000 und 50000 Wong-Scheine. In 2 Jahren soll aber evtl. ein 1.000.000 und 5.000.000 Wong-Schein eingeführt werden. Außerdem gibt es nur sehr kleine Münzen - die fast gar nichts wert sind - manchmal hat man das Gefühl, dass das Metall der Münze kostbarer ist als der eingepresste Wert...
• Verpflegung
Süße Sachen - wie Schokolade oder Nutella - werden aus Deutschland eingeflogen, sind aber auch nur in sehr kleinen Größen und mit hohem Preis zu finden. Die koreanische Schokolade schmeckt echt gar nicht. Da ist man mit der deutschen Lindt richtig verwöhnt!
Zum Frühstück gibt es bei mir immer 1-2 Äpfel und Müsli. Warme salzige Suppe - wie es früh hier normalerweise üblich ist - bekomme ich einfach nicht runter... Das Mittagessen esse ich meistens in der Schule. Die Schulkantine kann man mit der Qualität der deutschen Kantine vergleichen. So schnell wie möglich so viel wie möglich Essen herstellen und ausgeben. Manchmal kann ich das Essen einfach nicht essen - weil es zu scharf ist. Bei so einem Mittagessen haben zum Teil auch meine koreanischen Klassenkameraden ihre Schwierigkeiten...
• Meine neue Gastfamilie:
Ich bin im November in eine neue Gastfamilie gewechselt. Mein Vater ist Chefarzt der Radiologie in einem Krankenhaus, nicht weit weg von unserem Wolkenkratzer. Meine Mutter ist praktisch immer zu Hause und macht den Haushalt. Das heißt, sie lässt es auch keinen anderen machen. Ich versuche ihr in der Küche zu helfen - meist vergebens. Auch meine Wäsche will ich selbst waschen - doch sie nimmt sie immer schon aus dem Wäschekorb, bevor ich sie waschen kann. Ende Januar werde ich evtl. schon wieder die Familie wechseln. Ich hoffe, sie sind genauso nett wie die jetzige.
Am 23. Dezember sind wir in eine neue Wohnung umgezogen – in den 19. Stock eines
Wolkenkratzers! Da gab es viel zusammenzubauen und zu reparieren! Unter anderem einen
Wasserrohrbruch im 19. Stock, bei dem ich dann durch Zudrehen des Haupthahnes im Keller (nach einem Treppenspurt über alle Etagen) den ganzen Aufgang trocken legen konnte! Prima! Man lernte dann gleich im Treppenflur die Nachbarn kennen! Und der Klempner fand das Leck nicht gleich! Nach einer Stunde gab es wieder Wasser!
Mondfinsternis, aufgenommen in Busan am 10.12.2011, 16:00 Uhr MEZ
• Schule
Ich habe vor ein paar Wochen über meine Heimat und das Elsterschlossgymnasium in Deutschland in einem Vortrag gesprochen - vor 600 Schülern in der Aula. Das war eine wirklich tolle Erfahrung!
Daraufhin sprachen mich auch einige Schüler an und fragten mich, was denn bei uns in der Schule anders sei als in Korea – und das ich eine sehr schöne Schwester habe … Luise hat jetzt einen Fanclub in Korea!
• Südostasien
Vom 14. bis zum 19. Dezember 2011 haben wir einen Ausflug nach Kambodscha und Vietnam gemacht. Nachdem wir in Saigon gelandet waren, ging es weiter nach Kambodscha. In Kambodscha haben wir viele schöne historische und zum größten Teil auch sehr zugewucherte Tempel erkundet. Wir besichtigten den Angkor Wat Tempel, den Baiyon Tempel und den Elefanten-Tempel. Durch die Wurzeln von Bäumen sind viele Teile der Tempel leider zerstört. Der Wiederaufbau geht leider nur langsam voran, wird aber u.a. durch ein deutsches Projekt geleitet und finanziert. Es war schon wirklich schwierig, sich in den vielen Gängen der Tempel zurecht zu finden. Neben den touristischen Attraktionen ist es aber auch sehr traurig, die vielen armen Kinder zu sehen, die versuchen Dinge wie Ketten oder Postkarten zu verkaufen. In Kambodscha sahen wir außerdem riesige Seen und Flüsse, die von Menschenhand geschaffen waren. Auf diesen Gewässern sieht man sehr viele Plattformen schwimmen, auf denen sehr einfache Häuser aufgebaut sind. Wirklich traurig dies zu sehen...
Nach 2 Tagen in Kambodscha ging es weiter nach Vietnam. Wir landeten spätabends in Hanoi und wurden von unserem Reiseleiter empfangen. Wir fuhren mit dem Bus nach Harungbay. Am nächsten Tag stand die Halong-Bucht auf dem Plan. Wir wurden mit einem doch recht baufälligem Kutter 7 Stunden lang zwischen den wunderschönen Felsen hindurch manövriert. Die Bucht heißt „Bucht der 3000 Inseln“ obwohl es wohl nur 2000 Kalksteinfelsen sind - oder „Bucht des untertauchenden Drachens“. Mit einem Schnellboot wurden wir zu einer kleineren Insel gebracht, auf der ganz viele Affen leben sollen. Gesehen haben wir jedoch leider keinen... Auf dem Weg zurück kamen wir auch an dem Felsen vorbei, der auf jedem Geldschein des vietnamesischen Dong zu sehen ist. Nachdem wir wieder gut auf dem Festland angekommen waren, wanderten wir noch über einen sehr großen Markt, auf dem sowohl Lebensmittel als auch andere Gegenstände wie Schmuck oder Geschirr verkauft wurden.
Wie immer war der Ausflug viel zu kurz - aber doch sehr erlebnisreich und wunderschön.
• Weihnachten und Silvester
Neujahr und Weihnachten hatte ich mir hier in Korea schon sehr anders vorgestellt...
Zu Weihnachten hatten wir leider keinen Weihnachtsbaum. Und die Tradition des Schenkens ist auch nicht üblich. Die Hauptreligion hier in Südkorea ist der Buddhismus - und das merkt man schon. So ähnlich war es dann auch zu Silvester. Wir hatten alle zusammen ein sehr gutes Abendbrot. Aber was mich dann wunderte war, dass es wirklich gar kein Feuerwerk gab! Ganz Busan war ganz leise. Es war Wahnsinn... Draußen fuhr nicht ein Auto oder Bus. Das hätte ich vom Silvesterabend nicht erwartet.
(Von zu Hause habe ich aber Pfefferkuchen, Stolle und Schokolade geschickt bekommen und mit Räuchermännchen kam dann am 24.12. Abends ein kleines Weihnachtsfeeling auf!)
Am 1. Januar ist es hier eine gängige Tradition, sich früh um 4 Uhr an der Ostküste zu treffen und (im Land der Morgenröte) gemeinsam den Sonnenaufgang zu beobachten. Heute war aber leider kein gutes Wetter um den Sonnenaufgang zu beobachten – regnerisch und nasskalt! Schade! Am 1. Januar werden besonders die älteren Menschen mit Besuchen und guten Wünschen geehrt. Wir Austauschschüler waren beim Gouvernor eingeladen und hatten dafür unsere historischen Trachten angezogen.
Heute haben wir in der Familie aber alle gemeinsam das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker angeschaut! Ein tolles Konzert!
• Post
Ich freue mich riesig über Nachrichten aus der Heimat. Leider gibt es immer wieder Probleme mit den Mails. Falls ich mich nicht gleich melde, ist diese bestimmt nicht bei mir angekommen – dann bitte nochmal probieren oder auf dem Winterberg eine Nachricht hinterlassen. Oder über Skype – zaubererontour – aber es gibt 8 Stunden Zeitverschiebung!
Vielen, vielen herzlichen Dank auch für die „süßen Überraschungen“ zu Weihnachten. Auch meine koreanische Gastfamilie schwört jetzt auf Lindt-Schokolade!
Es grüßt ganz herzlich aus Südkorea
Euer Merlin-Michael Menzel
Anhang: Flaschenpost aus Korea (1 Teil).pdf